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Natürlicher Klimaschutz

Alte und naturnahe Wälder schützen das Klima – und uns

Sven Selbert, Referent für Waldnaturschutz und nachhaltige Waldnutzung beim Naturschutzbund DeutschlandErst Holznutzung schafft Strukturen für mehr Biodiversität und ist Treiber eines klimaresilienten Umbaus der Wälder, schrieb der Chef des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie kürzlich an dieser Stelle. Sven Selbert vom Naturschutzbund Deutschland widerspricht: Alte Wälder müssen als Senken für den Klimaschutz erhalten bleiben, argumentiert er.
von Sven Selbert veröffentlicht am 11.10.2022 – aktualisiert am 15.02.2023

Dürre, Waldbrände, Stürme und Schädlingsbefall – die Klimakrise ist von den Eisschollen der Arktis zu uns in den deutschen Forst gesprungen. Vor allem in den Mittelgebirgen verändert sie das Bild der Heimat vom Erzgebirge bis zum Pfälzer Wald rasant. Statt sattem Grün sehen wir plötzlich savannenartig erkahlte Hänge. Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum beziffert den Waldverlust mit über 500.000 Hektar auf knapp fünf Prozent der Gesamtwaldfläche.

Bislang nahm der Wald durch Holzwachstum und Speicherung in die Waldböden verlässlich knapp fünf bis zehn Prozent unserer gesamten Treibhausgasemissionen auf. Das hat sich geändert: Laut Statistischem Bundesamt hat sich der Wald im Jahr 2020 zum ersten Mal seit der Aufzeichnung von einer Kohlenstoffsenke zu einer zusätzlichen Kohlenstoffquelle gewandelt. Dies vor allem durch die als Kahlschlag geführten sogenannten Sanitärhiebe in den Borkenkäfergebieten.

Der Waldzustandsmonitor der TU München zeigt parallel dazu, dass im Rekorddürresommer 2022 rund ein Viertel der Bäume unter massivem Stress standen, was mit frühzeitigem Blattverlust und Herbstfärbung einher ging. Deutlich wird: Der Wald, wie wir ihn Deutschland kennen, kippt.
Stärkere Waldnutzung steht Klimazielen entgegen Was tun? Nicht nur dem Energiesektor, auch der Forst- und Holzwirtschaft steht ein fundamentaler Wandel bevor. Das erzeugt Begehrlichkeiten und harte Widerstände. Nutzerverbände argumentieren, der Wald müsse schleunigst verjüngt werden. Sie betonen, wie wichtig die Substitution von fossilen Kraftstoffen durch Holz und die langfristige Kohlestoffspeicherung durch Holzprodukte sei. Alte, scheinbar „instabil“ gewordene Wälder stellten hingegen eine Gefahr dar.

Statt neue Standards für eine sanftere Waldbewirtschaftung oder mehr Schutzflächen zu etablieren, will die Branche den Wald insgesamt stärker nutzen und noch mehr Holz ernten. So sollen jüngere Wälder mit weniger Holzvorrat entstehen. Auf der freiwerdenden Fläche sollen dann mehr nicht-heimische Wirtschaftsbaumarten eingebracht werden.

Die Thesen sind zwar eingängig, decken sich jedoch weder mit der Realität im Wald noch mit dem Stand der Wissenschaft. Darüber hinaus stehen sie den nationalen, europäischen und globalen Klimaschutzzielen entgegen. Denn die Senkenleistung alter Waldbestände ist darin längst eingerechnet. Oder anders gesagt: Ohne gesunde Wälder und Vorratsaufbau sind die Ziele schlicht nicht zu erreichen. Dies bedeutet, dass der Wald trotz Umbau im Schnitt älter werden muss. Die Thesen und Scheinargumente einiger Nutzerverbände gehören hingegen auf den Prüfstand.

Alte Wälder nützen dem Klimaschutz mehr als junge Forste Bestände in Deutschland sind im Schnitt weniger als 80 Jahre alt. Nur ein Bruchteil ist älter als 160 Jahre. Von drohender Überalterung und Sättigung der CO2-Speicherfähigkeit kann daher überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil: Alte Wälder in Deutschland sind besonders vorratsreich. Je größer der Vorrat, desto größer die CO2-Speicherwirkung. Junge Bäume speichern hingegen selbst bei gutem Wachstum nur wenig Kohlenstoff. Das liegt an ihrer geringen Größe und ihrem schlechten Verhältnis von Volumen und Oberfläche. Und selbst wenn sich ein verjüngter Wald gut entwickelt, braucht es nach einem Kahlschlag bis zu einer Dekade Zeit, bis die Nettobilanz aus der Senkenleistung junger Bäume und der anhaltenden CO2-Ausgasung des Waldbodens wieder bei null steht.

Dürfen große Bäume dagegen weiterwachsen und Holzvorrat aufbauen, speichern sie über viele Jahrzehnte bedeutend größere Mengen an
Kohlendioxid als die am gleichen Ort nachwachsenden Jungbäume. Nicht zuletzt binden alte Wälder weit über die Lebenserwartung einzelner Bäume hinaus aktiv CO2. Zuerst geschieht das vornehmlich im Holz dicker Bäume, später steigt dabei die Bedeutung des Totholzes und der Waldböden.
Alte Wälder sind stabil und werden nicht zur CO2-Quelle Die erfassten Waldschäden seit 2018 sind auf Rekordniveau. Die Zahlen zeigen: Auch junge, nicht standortangepasste Monokulturen sterben oder brennen zunehmend flächig ab. Naturnähere Laub- und Mischwälder leiden zwar auch, puffern die Extreme aber besser ab und können als Bestand eher überleben. Wahr ist, dass ältere, höhere Bäume ein höheres Sterberisiko aufweisen. Doch deshalb sind alte Wälder nicht per se labil und anfällig für die Folgen der Klimakrise. Wie gut ein Wald extremen Bedingungen standhalten kann, ist nicht vom Alter einzelner Bäume abhängig, sondern davon, wie gut sich der gesamte Bestand selbst günstige Standortbedingungen schaffen kann.
Naturnahe Wälder mit einer hohen Arten- und Strukturvielfalt sind hier klar im Vorteil. Im Vergleich zu verjüngten, naturfernen Forsten sind sie deutlich weniger anfällig für Hitze, Dürre, Erosion, Windwurf, Brand, Schadinsekten und Krankheiten – also klimaresilienter.

Lebendige Wälder speichern Kohlenstoff besser als Holzprodukte Befürworter der Intensivforstwirtschaft argumentieren, der im Waldholz gespeicherte Kohlenstoff könne nur in Form von Holzprodukten langfristig und nachhaltig gebunden werden. Holz, das nicht entnommen wird, würde hingegen im Wald verrotten und das CO2 wieder freisetzen.

Diese These missachtet nicht nur die Bedeutung der Senkenleistung reifer Wälder, sondern auch die Langlebigkeit und ökologische Bedeutung von Totholz. Sie ignoriert außerdem die Kurzlebigkeit vieler Holzprodukte, die nach ihrem Gebrauch häufig wieder verbrannt werden. Nur wenn beständig mehr oder immer langlebigere Holzprodukte produziert würden, könnte das Volumen des CO2-Speichers tatsächlich weiterwachsen. Passiert das nicht, erodiert der zuvor aufgeblähte Produktespeicher zwangsläufig und wird zu einer CO2-Quelle.

Nicht zuletzt wird bei der Holzernte und der anschließenden Holzverarbeitung ein bedeutender Teil des im Holz gespeicherten Kohlendioxids in sehr kurzer Zeit freigesetzt. Gängige Erntemethoden schädigen zudem häufig den Waldboden, wodurch weiteres CO2 ausgast.

Naturnahe Wälder erschaffen ihr Klima selbst Die Landnutzungs-Ziele der EU und Deutschlands für 2030 lassen sich nur über den Schutz der besonders vorratsreichen alten und naturnahen Wälder und eine Erhöhung der Waldvorräte insgesamt erreichen. Ganz konkret fordert die EU aber auch den strikten Schutz aller verbliebenen alten Wälder. Die Überführung in eine Bewirtschaftung mit natürlicher Waldentwicklung ohne Holznutzung bewahrt nicht nur ihre enormen Kohlenstoff-Reservoirs, sondern schützt gleichzeitig die Biodiversität in unseren Waldlebensraumtypen und intensiviert zusätzlich Ihren Nutzen für die Vermeidung und Anpassung an die schädlichen Folgen der Klimakrise. Alte und naturnahe Wälder regulieren den Landschaftswasserhaushalt, bilden neues Grund- und Trinkwasser, schützen vor Hochwasser, vor Bodenerosion und -degradation und tragen zur Bodenneubildung bei. Sie kühlen in Hitzewellen, sie mindern Waldbrandgefahr und filtern die Lft vonStaub und Schadstoffen. Sie befördern unser körperliches und seelisches Wohlergehen jederzeit und direkt, nicht nur wenn wir sie besuchen. Während die Deutsche Holzindustrie schlicht behauptet, Klimaschutz sei nicht durch eine Verringerung der Holzernte oder den Schutz alter naturnaher Wälder zu erreichen, kommt auch eine neue Studie unter Mitwirkung von Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu einem ganz anderen Schluss: Ginge es um optimalen Klimaschutz und Waldfunktionen, müsste der Waldnaturschutz verstärkt werden und sogar in circa einem Drittel der Wälder Deutschlands die Holznutzung eingestellt werden.

Die Frage der Intensität des Schutzes sowie der Holznutzung ist im Lichte des sicherlich dringend gebotenen Umbaus naturferner und klimalabiler Nadelholzreinbestände differenziert zu führen. Doch Scheinargumente dürfen uns nicht davon abhalten, den Schutz alter und naturnaher Wälder voranzubringen und ihren Nutzen für Klima und Ökologie zu stärken. Darauf zu verzichten, können wir uns hingegen nicht leisten – denn ohne unsere alten Wälder werden wir das Klimarisiko nicht beherrschen.Sven Selbert ist Referent für Waldnaturschutz und nachhaltige Waldnutzung beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Er hat Biologie und Geografie studiert und war zuvor für verschiedene Nichtregierungsorganisationen und in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu Waldthemen tätig.

Natural climate protection
Old-growth and semi-natural forests protect the climate – and us

Sven Selbert, expert on forest conservation and sustainable forest use at the German
Society for Nature Conservation (BUND)

Only the use of wood creates structures for more biodiversity and is a driver for climateresilient
forest conversion, the head of the German Timber Industry Association recently
wrote. Sven Selbert of Naturschutzbund Deutschland disagrees, arguing that old-growth
forests must be preserved as sinks for climate protection.

by Sven Selbert published on 11.10.2022 – updated on 15.02.2023

Drought, forest fires, storms and pest infestations – the climate crisis has jumped from the
ice floes of the Arctic to Germany’s forests. Especially in the low mountain ranges, it is
rapidly changing the face of our country, from the Erzgebirge to the Pfälzer Wald. Instead of
lush greenery, we suddenly see savannah-like, barren slopes. The German Aerospace
Centre puts the loss of forest at over 500,000 hectares, or just under five per cent of the
total forest area.

Until now, forests have reliably absorbed just under five to ten per cent of our total
greenhouse gas emissions through wood growth and storage in the forest floor. This has
changed: According to the Federal Statistical Office, in 2020, for the first time since records
have been kept, the forest turned from a carbon sink to an additional carbon source. This is
mainly due to so-called sanitary felling in bark beetle infested areas.

At the same time, the Technical University of Munich’s Forest Condition Monitor shows that
around a quarter of the trees were under massive stress in the record dry summer of 2022,
which was accompanied by premature leaf loss and autumn colouring. The forest as we
know it in Germany is collapsing.
Increased forest use contradicts climate goals What can be done? Not only the energy
sector, but also the forestry and timber industries are facing fundamental change. There is a
desire for change, but also strong resistance. User groups argue that forests need to be
rejuvenated as quickly as possible. They emphasise the importance of replacing fossil fuels
with wood and the long-term carbon storage provided by wood products. Old, apparently
„unstable“ forests, on the other hand, pose a danger.
Instead of establishing new standards for gentler forest management or more protected
areas, the industry wants to make greater use of the forest as a whole and harvest even
more wood. The aim is to create younger forests with less wood stock. More non-native
commercial tree species are then to be introduced on the area that is freed up.

Although the theses are catchy, they do not correspond to the reality in the forest or to the
current state of science. Furthermore, they run counter to national, European and global
climate protection goals. This is because the sink capacity of old forest stands has long
been included in this. In other words: without healthy forests and stockpiling, the targets
simply cannot be achieved. This means that the forest must grow older on average despite
conversion. The theories and bogus arguments of some user associations, on the other
hand, should be put to the test.

Old forests are more beneficial to climate protection than young forests. Forests in Germany
are on average less than 80 years old. Only a fraction are older than 160 years. There is
therefore no question of the threat of over-aging and saturation of CO2 storage capacity. On
the contrary: old forests in Germany are particularly rich in reserves. The larger the stock,
the greater the CO2 storage effect. Young trees, on the other hand, store very little carbon
even when they are growing well. This is due to their small size and their poor ratio of
volume to surface area. And even if a rejuvenated forest develops well, it takes up to a
decade after a clear-cut before the net balance of the sink capacity of young trees and the
ongoing CO2 outgassing of the forest floor is back to zero.

If, on the other hand, large trees are allowed to continue to grow and build up wood stocks,
they store significantly larger quantities of carbon dioxide than the young trees growing in
the same place. Last but not least, old forests actively bind CO2 far beyond the life
expectancy of individual trees. Initially, this happens primarily in the wood of thick trees, but
later the importance of dead wood and forest soils increases.

How well a forest can withstand extreme conditions does not depend on the age of
individual trees, but rather on how well the entire stand can create favorable site
conditions for itself.
Natural forests with a high level of species and structural diversity have a clear
advantage here. Compared to rejuvenated, non-natural forests, they are significantly
less susceptible to heat, drought, erosion, windthrow, fire, insect pests and diseases
– i.e. more climate resilient.
Living forests store carbon better than wood products. Proponents of intensive
forestry argue that the carbon stored in forest wood can only be stored long-term
and sustainably in the form of wood products. However, wood that is not removed
would rot in the forest and release the CO2 again.

This thesis ignores not only the importance of the sink capacity of mature forests,
but also the longevity and ecological importance of dead wood. It also ignores the
short lifespan of many wood products, which are often burned again after use. Only
if more or ever more durable wood products were produced could the volume of
CO2 storage actually continue to grow. If this does not happen, the previously
bloated product storage inevitably erodes and becomes a source of CO2.

Last but not least, during wood harvesting and subsequent wood processing, a
significant portion of the carbon dioxide stored in the wood is released in a very
short period of time. Common harvesting methods also often damage the forest
floor, causing further CO2 to be emitted.

Near-natural forests create their own climate. The land use goals of the EU and
Germany for 2030 can only be achieved by protecting the particularly rich old and
near-natural forests and increasing forest reserves overall. In concrete terms, the
EU also calls for the protection of all remaining old forests. The transition to
management with natural forest development without wood use not only preserves
your enormous carbon reservoirs, but at the same time protects the biodiversity in
our forest habitat types and additionally intensifies your benefits for avoiding and
adapting to the harmful consequences of the climate crisis.
Old forests are stable and do not become a source of CO2. The forest damage recorded
since 2018 is at a record level. The figures show: Even young monocultures that are not
adapted to their location are dying or burning down over an increasing area. Although more
natural deciduous and mixed forests also suffer, they buffer the extremes better and are
more likely to survive as a stand. It is true that older, taller trees have a higher mortality risk.
However, this does not mean that old forests are inherently unstable and susceptible to the
consequences of the climate crisis.

Old and near-natural forests regulate the landscape water balance, create new
groundwater and drinking water, protect against floods, soil erosion and degradation
and contribute to new soil formation. They cool in heat waves, reduce the risk of
forest fires and filter the air from dust and pollutants. They promote our physical and
mental well-being directly and at all times, not just when we visit them. While the
German wood industry simply claims that climate protection cannot be achieved by
reducing timber harvests or protecting old, semi-natural forests, a new study
involving Christopher Reyer from the Potsdam Institute for Climate Impact Research
comes to a completely different conclusion: it would be about optimal Climate
protection and forest functions, forest nature protection would have to be increased
and the use of wood would even have to be stopped in around a third of Germany’s
forests.

The question of the intensity of protection and use of wood must be addressed in a
differentiated manner in light of the urgent need to convert unnatural and climatically
unstable pure coniferous wood stands. But false arguments must not stop us from
promoting the protection of old and near-natural forests and strengthening their
benefits for the climate and ecology. However, we cannot afford to do without it –
because without our old forests we will not be able to control the climate risk.

Sven Selbert is a consultant for forest nature conservation and sustainable forest
use at the German Nature Conservation Association (Nabu). He studied biology and
geography and previously worked for various non-governmental organizations and
in international development cooperation on forest issues.